Spionenohren
setzte er sich auf den fuszboden heraus und presste das spionenohr an diesen. J. Paul, Hesp. 1, 10.
Schließlich muss der Staat ja mitbekommen, was denn der Bürger so treibt, im eigenen Heim. Damit sein eigenes Treiben halbwegs legitim erscheint, muss er sich bestimmter Diskursformen bedienen. Das Paradebeispiel schlechthin ist die Kinderpornographie, bzw. die Ächtung derartiger Praktiken. Das hat den Vorteil, dass der Konsens nicht erst mühselig manufakturiert werden muss, sondern gleichsam als Taktstock des medialen Empörungsorchesters lustvoll geschwungen werden kann. Dann benötigt es nur noch “zwei, drei Mutige, die vorangehen” (Familienministerin von der Leyen), und man kann sich daran machen, fachmännisch das erste Zensursystem in die deutsche Informationsinfrastruktur einzuziehen.
“Aber warum sich auf KiPo beschränken, gleich das ganze Sündenbabel des Zwischennetzes könnte man mit derartiger Technik beseitigen,” dachte sich wohl das hessisch-christliche Innenministerium. Glücksspiel, diese Geißel der modernen Gesellschaft könnte man so doch ebenso auf die nationalen Filterlisten setzen und, wir wollen ja nicht päpstlicher als der Papst sein, en passant die Einnahmen aus dem staatlichen Glücksspiel-Monopol vergößern.
Nun, nicht nur die häßlichen hessischen Christenmenschen der CDU, auch ihre Gesinnungsgenossen aus dem schönen Niedersachsen wissen, was die Stunde geschlagen hat (da kann sich der Ministerpräsident mal wieder präsentieren, ganz auf Du und Du, während sein Geheimdienst die wort-wörtliche Ausführung übernimmt). Wobei dieser sogenannte legislative Vorgang eher ein Demaskierung der freiheitlich-liberalen Schandes Standesvertreter ist. Aber, was hat das schon für einen Neuigkeitswert.
Nehmen wir doch Niedersachsen als Sprungbrett auf die Bundesebene, wie es Gerhard S. vorgemacht hat, und sein indisponierter direkter Nachfolger es ebenfalls versucht. Und so sei die kleine Extrapolation erlaubt, dass auch Christian Wulff einst diesen Weg beschreiten wird, um Nachfolger der Krisenkanzlerin zu werden. Dann kann er, BigBrother-Preisträger des Jahres 2005, befreit von regionaler Kleingeisterei vom großen Datenacker ernten, den seine Kanzlerin einst bestellte.
Die Vorratsdatenspeicherung ist ja ein wenig aus dem Blickfeld geraten, ein wenig unverständlich, wenn man bedenkt, was der Staat zukünftig über jeden Bürger weiß:
1. die Rufnummer oder andere Kennung des anrufenden und des angerufenen Anschlusses sowie im Falle von Um- oder Weiterschaltungen jedes weiteren beteiligten Anschlusses.
2. den Beginn und das Ende der Verbindung nach Datum und Uhrzeit unter Angabe der zugrunde liegenden Zeitzone.
3. usw. usf.
Zudem gerade erst die vom BVerfG angeforderte Beurteilung der VDS erschienen ist. Bei c’t liest man folgendes:
Nach Interpretation der Bundesregierung hat die EU zudem “ausdrücklich” keine umfassenden “materiellen Grenzen der Verwendung der gespeicherten Daten” vorgesehen. Die Erlaubnis zur Nutzung der Informationen allein bei “schweren Straftaten” bezeichne keinen Rechtsbegriff, “der sich mit identischer Bedeutung im deutschen Strafrecht wieder finden lassen würde”. Eine “juristische Definition” habe Brüssel nicht vorgebracht, stellt sich Berlin quasi einen Freibrief zur Datenverwendung aus.
Eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit dem Kunstbegriff “schwere Straftat” stammt von Twister:
So die Bundesregierung von der offensichtlichen Notwendigkeit, Verhältnismäßigkeit und Richtigkeit der VDS überzeugt ist, hätte man sich dieses rhetorischen Kniffes nicht bedienen müssen. Doch man suggerierte stattdessen, dass “schwere Straftaten” tatsächlich ein Begriff ist, der die Datenspeicherungszwecke eingrenzt – entweder wussten alle Politiker, die diesen Trick übernahmen, es tatsächlich nicht besser (was von Inkompetenz zeugen würde) oder aber sie haben schlichtweg hier ganz gezielt Nebelkerzen gezündet, um die Kritik ins Leere laufen zu lassen. Welche Möglichkeit zutrifft, kann jeder für sich selbst entscheiden. Beruhigend sind beide nicht.
Doch nicht nur die Bundesregierung lieferte ein Einschätzung ab, auch Bundesgerichte gaben ihre Stellungnahmen ab. So bezeichnete das Bundesverwaltungsgericht die Vorratsspeicherung als
…eine flächendeckende Dauermaßnahme, die weder an eine Einschreitschwelle noch an eine Tatsachenbasis gebunden ist.”
und der Präsident des für Strafrecht zuständigen Bundesgerichtshofs (BGH) Prof. Dr. Klaus Tolksdorf schreibt in einer weiteren Stellungnahme an das Bundesverfassungsgericht:
Der Wertung, dass ohne die Möglichkeit der Speicherung und Erhebung der genannten Daten die Nutzung des Internets zu einem ‘rechtsfreien Raum’ würde, könnte ich mich nicht anschließen. Einzelne Bereiche sozialen Verhaltens sind nicht deshalb rechtsfreie Räume, weil von ihrer präventiven Überwachung abgesehen wird.
Mithin, es scheint nicht alles verloren, und Klein-Christians Ernte könnte durchaus noch ein wenig dürftiger ausfallen.
Zum Schluss noch ein kleiner TV-Tipp. Harvard Law vs. RIAA — die Anhörung in einem Filesharing-Verfahren wird live im Internet übertragen. Die Begründung dafür liefert die zuständige Richterin in einer überzeugenden Argumentation:
Gertner geht auch auf die Argumente des klagenden Labels ein, dessen Anwälte die Übertragung mit einem Gegenantrag verhindern wollten. Die Gegenwehr der Musikindustrie findet Gertner “merkwürdig”. Die Kläger hätten in diesem und anderen Fällen stets auf den Publicity-Faktor und das Abschreckungspotenzial der Klagekampagne gesetzt. Eine Übertragung an die Zielgruppe sollte also der Strategie der Musikindustrie entsprechen.
Touché
[…] hatte es ja letztes Mal mit der Überwachung, und den Menschen, die sich nicht zu schade sind, derartig unsinnige Umtriebe […]
[…] Weise, für die Sache des angeblichen Bündnisses zwischen schwedischer Verurteilung, und deutscher Zensurbemühungen. Noch ein paar Piratenbuchten mehr, und das neue Bündnis von Urheberrechtsschützern und jenen, […]
[…] wieder einführt, ist zwar auf den ersten Blick merkwürdig, hätte man sich aber denken […]