Wer wählt, wählt verkehrt — die Grünen

© Stephan Morgenstern

Turn­schuh­min­is­ter­turn­schuhe

Ich mochte die grüne Partei mal. Sog­ar aus­ge­sprochen gerne. Als es noch die Partei war der Ökos, Mul­ti­kul­tis, Paz­i­fis­ten und Hip­pies. Die “Vier Säulen”, wie es damals hieß, waren “sozial, ökol­o­gisch, basis­demokratisch und gewalt­frei”. Im Grund­satzpro­gramm von 1980 standen so schöne Dinge wie “Sofor­tiger Betrieb­sstop für Atom­an­la­gen”, “Sofor­tige Auflö­sung der Mil­itär­blöcke NATO und Warschauer Pakt”, “Abschaf­fung der Bun­deswehr”, “Exportver­bot für Rüs­tung” oder “Verkürzung der Wochenar­beit­szeit”, die 35-Stun­den-Woche als Ein­stieg. Gegen die Start­bahn West ket­teten sie sich an Bäume und es durften auch Steine geschmis­sen werden.

Auch später, als die Grü­nen langsam erwach­sen wur­den, sie 1983 knapp in den Bun­destag ein­zo­gen, Hol­ger Börn­er die Dachlat­te zur Seite legte und Josch­ka Fis­ch­er 1985 zum ersten grü­nen Min­is­ter machte, war es doch irgend­wie sym­pa­thisch, dass der Neue zur Amt­se­in­führung weiße Turn­schuhe trug. Rebell! 14 Monate hielt die Koali­tion. Eine frühe, ziem­lich kurze Pubertät.

Viel später erfuhr ich erst, dass Turn­schuh­min­is­ter Josch­ka sich die weißen Treter einzig und allein zu diesem Zweck (Rebel­lion) gekauft hat­te. Aber da hat­te ich schon längst mit der grü­nen Partei abgeschlossen. Der Zusam­men­schluss von West und Ost hat­te aus der Partei schon etwas Neues gemacht. Ich glaube, es war auch die Zeit in der irgen­dein grün­er Parteis­tratege das schreck­liche Wort “Nach­haltigkeit” erfand. Um damit so lästige Worte wie “Basis­demokratie” aus den Parteipro­gram­men (1993) zu stre­ichen. Um massen­tauglich zu werden.

Was ich an den Grü­nen immer bewun­dert habe, war ihr Ide­al­is­mus, der Glaube daran, tat­säch­lich als “Anti-Parteien-Partei” (Petra Kel­ly) im Parteien­sys­tem über­leben zu kön­nen. Das kon­nte nicht gut gehen. Und wie das immer so ist, wussten das einige auch schon früher als andere. Der Grü­nen-Vor­denker Hubert Klein­ert soll Anfang der Achtziger ein­mal zu Otto Schi­ly (damals noch Grün­er) gesagt haben:

Wir wer­den mal wie die und merken es nicht.

Wie recht er haben sollte. Mit den Jahren wird das Wahl­pro­gramm immer prag­ma­tis­ch­er. Man braucht sich­er keine Wordl-Wolken, um sich darüber klar zu wer­den, wie sehr sich die Grü­nen von ihren Grund­sätzen ver­ab­schiedet haben. Die Wolken über Mor­burg reichen da vol­lkom­men aus. (Trotz­dem.)

Die Grünen 1980

Die Grü­nen 1980

Die Grünen Grundsatzprogramm 2002

Die Grü­nen 2002

Auch die mit der Indus­trie aus­ge­han­delte 32-jährige Bestands­garantie für Atom­kraftwerke — Atom­kon­sens genan­nt — kön­nte irgend­wie mit realpoli­tis­chen Zwän­gen entschuldigt wer­den. Immer­hin! Und dass die Grü­nen heutzu­tage eine andere Klien­tel haben als in den Achtzigern, spiegelt sich eben auch in den Hartz-Geset­zen wieder. Ging nicht anders! Lib­erale Wäh­ler bekom­men eben was sie ver­di­enen. Dass die Grü­nen den Kon­takt zu den Arbeit­ern längst ver­loren haben und Bürg­ernähe nur noch als Wahlkampf-Mod­ul existiert, beweist MdB Peter Het­tlich sehr anschaulich.

All das ist schlimm genug. Aber es gibt ein Prin­cip, das die Grü­nen niemals hät­ten ver­rat­en dür­fen: den absoluten Gewaltverzicht. Erst die Grü­nen haben es möglich gemacht, dass von Deutsch­land aus wieder Kriege geführt wer­den. Wer außer den Grü­nen hätte das durch­set­zen kön­nen? Wenn sog­ar die Paz­i­fis­ten dafür sind, ohne UN-Man­dat mit Panz­ern in den Koso­vo zu fahren, dann kann es ja nicht falsch sein, wird sich der Bürg­er gedacht haben. Da hat der grüne Über­vater Fis­ch­er nur noch die Holo­caust-Keule schwin­gen müssen und fer­tig war die neue Wel­tord­nung. 15 Jahre zuvor hat­te Hein­er Geißler die Grü­nen noch provoziert: “Der Paz­i­fis­mus der dreißiger Jahre hat Auschwitz erst möglich gemacht.” Jet­zt war es der grüne Außen­min­is­ter selb­st, der für seine Recht­fer­ti­gung einen auf God­win machen musste: “Ich habe aus der Geschichte nicht nur gel­ernt: Nie wieder Krieg, son­dern auch: Nie wieder Auschwitz.” Wie ver­logen muss man sein, um im Namen des­sel­ben Mil­itär­bünd­niss­es einen Angriff­skrieg durchzuführen, aus dem man eigentlich gedachte auszutreten und die Über­win­dung des Gewaltverzichts auch noch mit Paz­i­fis­mus begründet?

Das let­zte Wort darf eke­lis haben:

was habt ihr gegen die grü­nen? wenn man die erde ret­ten will kann man sich paz­i­fis­mus, aus­län­der und arme leute nich leisten!!11elfdrölf

3 Meinungen zu “Wer wählt, wählt verkehrt — die Grünen

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