Wer wählt, wählt verkehrt — Piraten-Partei
Shamus ist Pirat. Sein Vater war ein Baum, was ihn automatisch zu einem Öko macht. Womit wir auch schon bei dem beliebten Vergleich sind, der besagt, die Piraten befänden sich dort, wo die Grünen vor ca. 30 Jahren waren. Doch der Vergleich hinkt so sehr wie besagter Shamus — und der hat zwei Holzbeine.
Die Grünen leg(t)en zwar ihren Fokus ebenfalls auf ein einzelnes, damals noch unbesetztes Thema: Umwelt. Sie waren aber niemals eine monothematische Partei. Ihre Anhänger rekrutierten sich aus einem tatsächlichen Millieu, und das lässt sich digital einfach nicht konstruieren.
Davon ist bei den Piraten nichts zu sehen. Von Milieus sollte man auch nicht reden, weil sie sich nicht am Rechner konstituieren. Zudem fehlen einfach die Intellektuellen, die aus dem Anliegen ein Weltbild formen.
Ihr Ansatz war universell, es ging ihnen (auch) um die Veränderung der Verhältnisse. Sie waren insofern auch ideologisch bzw. idealistisch (was ich positiv finde). Ihnen wären daher einige der Fehler, die die jungen Piraten gemacht haben, wahrscheinlich nicht unterlaufen. (Dafür einige andere kapitale Fehler, ist klar.)
Dass jemand wie Jörg Tauss erst aus der SPD aus- und dann in die Piraten-Partei eintritt, wurde in einer Szene, die Kinderpornografie mit KiPo abkürzt, zunächst als willkommene Wahl-PR bejubelt, ließ aber schon bald die ersten an den rechten Absichten der Piraten zweifeln. Unwählbar machten sich die Piraten erst, als sie mit Bodo Thiessen einen bekennenden Geschichtsrevisionisten und Holocaust-Leugner nicht nur in der Partei aufnahmen, sondern ihm auch noch ein Pöstchen im Schiedsgericht der Partei unterschoben. Da hilft auch keine Baukasten-Distanzierung, aber hat sogar ein Teil der Piraten verstanden.
Soweit zum Personal. Das größte inhaltliche Problem der Piraten-Partei liegt aber darin, dass es auch von den Piraten keine Antworten auf die Fragen gibt, die von den etablierten Parteien offensichtlich nicht vernünftig beantwortet werden können. Es wird zu bestimmen Themen einfach nur Nein gesagt. Nein zum Zensursula-Stopp-Schild, nein zur Vorratsdatenspeicherung, nein zu… das war’s auch schon. Ein Parteiprogramm, das selbst Shamus an seinen beiden Holzarmen abzählen könnte.
Weil sich die Piraten, abgesehen von der Internetpolitik — wo die Nerd-Versammlung unbestritten die traurige bundesweite Kompetenz-Avantgarde darstellt — sich zu keinen gesellschaftlichen Themen positionieren, bleiben riesige Definitionslücken im Partei-Wiki und in der öffentlichen Wahrnehmung. Die zweitere wird zur Zeit von jedermann nach belieben befüllt. Und das geht sogar offline. Die Piraten-Partei ist werden rechts, noch links, noch nicht einmal vorn. Sie ist gar nichts. Und lässt damit Raum für allerhand Spekulationen und Vereinnahmung.
Spätestens seitdem sogar Frank Schirrmacher den Piraten in der FAZ Lob hudelt, müsste klar sein, dass es etwas zu klären gibt. Eine Parteineugründung, zumal in einem solch diffusen Millieu wie das der Piraten, bringt immer auch die Gefahr mit, dass Rechtsextreme hier unstigmatisiertes Umfeld finden oder Publikationsorgane der Neuen Rechten die Naivität von bisher unpolitischen Ein-Themen-Piraten zu ihren Gunsten nutzen.
Während auf der eine Seite Telepolis für die Piraten Partei ergreift, sogar Fefe aus aktuellem Anlass seine gute Kinderstube vergisst und in der Inhaltsleere des Programms sogar noch einen Pluspunkt gesehen wird (fein umschrieben mit “dynamisch”), fordert die andere Seite schon den Rücktritt des stellvertretenden Bundesvorsitzenden Andreas Popp, der erst so ignorant war, der Jungen Freiheit ein Interview ((keine Sorge, ich verlinke nur auf den Google-Cache der JF-Seite)) zu geben und dann Schlafmangel vorschützt, um sich schließlich mit Blödheit herauszureden. Dass ihm der Bundesvorsitzende Jens Seipenbusch das auch noch nachmacht und einen JF-Fragebogen ausfüllt, ist schon nicht mehr feierlich. Lesenswertes dazu hier, hier und hier.
Liebe Piraten, gebt euch endlich ein Programm! Dann passiert auch sowas nicht:
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