Zwei aus der SPD: Zypries und Tauss
Brigitte Zypries und Jörg Tauss sind Kollegen: Sie ist Justizministerin und sitzt seit 2005 als Abgeordnete für ihren Wahlkreis Darmstadt im Deutschen Bundestag, er seit 1994 über die Landesliste Baden-Württemberg. Beide Mitglied der SPD. Nun hat Brigitte “Browser, was sind denn jetzt noch mal Browser?” Zypries vom eco-Verband der deutschen Internetwirtschaft einen Sonderpreis verliehen bekommen. In der Pressemitteilung wird das folgendermaßen begründet:
In der Laudatio heißt es: „Sie hat sich für einen sachgerechten Interessenausgleich und klare und verlässliche rechtliche Rahmenbedingungen stark gemacht“. Das Internet brauche Ideen, nicht grundrechtsvergessenen Aktionismus. „Deshalb brauchen wir Persönlichkeiten wie unsere diesjährige Preisträgerin, die mit ihrer klaren Position Reflexe abwehrt und so Raum schafft zum Denken.“
Gemeint ist wahrscheinlich die erfolgreich eingeführte verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung. Eventuell war auch das körbeweise verschärfte Urheberrecht ein Grund für die Ehrung. Oder sollte die Justizministerin etwa nachträglich für die Idee geehrt werden, “dass wir die Daten, die bei einer Zugangsblockade anfallen, auch zur Strafverfolgung nutzen können”, wie sie das noch Ende April der FR ins Tabloid-Format quatschte?
Das war bevor von Zensursula die Rede war. 134.014 + 128 Nein-Stimmen und 389 Ja-Stimmen später, hat der Bundestag ein “Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen” durchgewunken. Aus der Regierungskoalition hatten gerade einmal drei Personen die Gefahren des Zensurgesetzes erkannt bzw. sie über die Parteiräson gestellt und dagegen gestimmt. Ministerin Zypries, die ebenfalls Abgeordnete ist — soviel zum Thema Gewaltenteilung im politischen System der BRD — war bei der namentlichen Abstimmung ebenso wie 77 andere Abgeordnete leider nicht anwesend. (Frau von der Leyen war im Übrigen auch nicht anwesend.)
Einer der gegen das Gesetz gestimmt hat, ist Jörg Tauss. Um ihn war es in letzter Zeit ungewohnt leise geworden, war er doch selbst gerade im Zusammenhang mit Kinderpornografie, sagen wir mal verharmlosend, negativ auf gefallen. Das war einmal anders. Auch Tauss ist Sonderpreisträger. Noch 2002 wurde er vom selbem Verband der deutschen Internetwirtschaft zum “Internet-Politiker des Jahres” gekürt. Von “Mr. Internet” war die Rede, der Spiegel nannte ihn “Inter-Tauss”. Als einer der wenigen Bundestagsabgeordneten ist er tatsächlich Internet-Nutzer. 1997 war er der erste Bundestagsabgeordneter mit Internetzugang und wurde von seiner Partei zum Medienpolitischen Sprecher erkoren.
Damit ist es aber jetzt vorbei. Für die SPD-Fraktion steht fest, dass “Inter-Tauss” der Kopf eines weltweit operierenden Kinderpornorings ist. Das sagt sie zwar nicht, aber alles andere müsste überraschen, hätte es doch sonst wenigstens eine unterstützende Stimme für das langjährige Parteimitglied gegeben. Nach seiner Aussage wollte er sich Einblicke in die Kinderpornoszene verschaffen, weshalb versehentlich solches Material auch auf seinem Rechner gelangt sei. Nun, ja, das wäre wahrscheinlich auch einfacher gegangen. Schlussendlich: “Mr. Internet” steht alleine da.
Ohne Amt (und nur mit Mandat) lässt es sich nun anscheinend frei sprechen. Mit einem letzten Zwischenruf verabschiedet sich ein weiteres Mitglied aus der Verräterpartei:
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Nach kurzer Überlegung ist Jörg Tauss seit heute der erste Pirat im Deutschen Bundestag. Die eco-Auszeichnung wird er wahrscheinlich zurückgeben. Seine letzten Worte: “Ich bin und ich bleibe Sozialdemokrat - und werde deshalb ein Pirat.” Bleibt zu hoffen, dass sich die Anschuldigungen gegen ihn als haltlos erweisen, sonst hat die Pirtenpartei, kaum gegründet, schon ihren ersten Skandal am Bein.
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Piratenpartei kapert ein Bundestagsmandat…
Jörg Tauss ist heute der Piratenpartei beigetreten und damit der erste Pirat im Deutschen Bundestag. “Das Bundestagsmandat kapern geht nicht”, meint sein ehemaliger baden-württembergischer Parteivorsitzender. Er fordert Tauss auf, das Manda…